Die Weizen-Gluten-Unverträglichkeit
Die Gluten-Sensitivität (GS)
Ein Artikel von Niels Schulz-Ruhtenberg, Ernährungsmediziner
Unverträglichkeit von Gluten, Weizen bzw. Getreide
Unter Gluten-Sensitivität (GS) versteht man eine Unverträglichkeit von Gluten und anderen Bestandteilen in Weizen und anderen Getreidesorten.
Es handelt sich um eine relativ neue Störung, die in den letzten Jahren zunehmend erforscht wird. Andere Namen sind zöliakieunabhängige Weizenempfindlichkeit, Nicht-Zöliakie-Gluten-Sensitivität, Non Celiac Gluten Sensitivity (NCGS), Nicht-Zöliakie Weizen-Protein-Sensitivität oder Glutensensitives Reizdarmsyndrom.
Gluten (auch Klebereiweiß genannt) ist ein natürlicher Inhaltsstoff in Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel und leicht verändert auch in Hafer. Gluten ist die häufigste Ursache für Brot- und Getreide-Unverträglichkeiten. Ein weiterer Faktor sind wahrscheinlich bestimmte Reizstoffe im Getreide (ATI/Amylase-Trypsin-Inhibitoren). Die genaue Häufigkeit der GS ist nicht bekannt, laut Schätzungen könnten 6% der Bevölkerung betroffen sein.
Vielfältige Symptome
Mögliche Symptome und Beschwerden sind: „Reizdarm“-Symptome wie Durchfall, Blähungen, evtl. Verstopfung, Bauchschmerzen, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Depression, Exantheme der Haut, Migräne oder Müdigkeit nach dem Essen. Die Beschwerden hängen oft von der Menge des zugeführten Glutens ab.
Gluten-Auslassversuch ist entscheidend für die Diagnose
Das entscheidende Diagnose-Kriterium ist eine Verbesserung der Beschwerden durch eine Reduktion von Gluten im Essen. Der wichtigste Schritt ist daher ein sog. Auslassversuch (diagnostische Diät), bei der man testweise für 2-4 Wochen Gluten konsequent vermeidet bei ansonsten möglichst unverändertem Lebens- und Ernährungsgewohnheiten (Anleitung erhältlich). In dieser Zeit achtet man auf Veränderungen bzw. Verbesserung von Symptomen. Leider gibt es keinen Bluttest, der eine Gluten-Empfindlichkeit beweisen kann – im Gegensatz zur Zöliakie (s.u.). Es gibt spezielle Test auf Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, die Hinweise liefern können.
Therapie: Ernährungsumstellung
Der entscheidende Schritt ist eine glutenarme Ernährung. Eine komplette Gluten-Vermeidung (wie bei der Zöliakie) ist in der Regel nicht erforderlich, wobei Sie am besten Ihre persönliche „Gluten-Verträglichkeitsschwelle“ herausfinden sollten. Hilfreich sind entsprechende Lebensmittel-Tabellen.
Bio-Märkte führen ein großes Sortiment an Gluten-freien Produkten. Gluten-freie Fertig- Produkte – auch im Bio-Reform-Bereich – enthalten aber oft Stoffe die ebenfalls Unverträglichkeiten auslösen können. Dazu gehören Backtriebmittel, Allergie-auslösende Mehle (Lupine), Ballaststoffe etc. Daher sollten Sie Fertig-Gerichte während des Gluten-Entlastungstests und ggf. auch langfristig meiden.
Vollkorn-Produkte sind grundsätzlich oft unverträglich, wenn der Darm geschwächt ist. Wenn sich der Darm erholt hat, können Vollkorn-Produkte entsprechend der individuellen Verträglichkeit schrittweise wieder eingeführt werden. In traditionell hergestelltem Natursauerteig-Brot wird ein Teil des Glutens abgebaut, daher wird es evtl. besser vertragen. In der Großindustrie wird in der Regel Sauerteigersatz („Kunstsauer“) verwendet, der nicht als vorteilhaft gilt. Dinkel ist ein gluten-armer Urweizen und wird wie Hafer (enthält das glutenähnliche Avenin) teilweise besser vertragen. Die in letzter Zeit modernen „Eiweißbrote“ enthalten übrigens besonders viel Gluten (Klebereiweiß). Für Müsli-Fans empfehle ich Reis-Hirse-Buchweizen-Vollkornflocken, die von Natur aus Gluten-frei sind.
Gluten in unserem Essen
Problematisch ist, dass der Weizenkonsum im 20. Jahrhundert enorm zugenommen hat. Außerdem gibt es Hinweise, dass neue Weizensorten mit höherem Glutengehalt gezüchtet wurden, da Gluten Brot und Brötchen schön „luftig“ und knusprig macht.
Außerdem wird Gluten (Klebereiweiß) vielen Produkten zugesetzt, da es ein gutes Bindemittel ist, das Teig, Pudding, Spagetti oder Würste in Form hält. Auch Light-Produkte wie Quark oder Joghurt werden durch Gluten schön luftig. Reines Gluten findet sich in dem Fleischersatz Seitan („Weizenfleisch“), hier sollten v.a. Vegetarier und Veganer aufpassen.
Bestimmte Abbauprodukte von Gluten können im Darm wie Opiate wirken. (Es handelt sich um Gliadorphine, die aus der unvollständigen Proteolyse des Klebereiweißes Gluten aus Getreideprodukten entstehen). Dadurch kann es bei einem Glutenverzicht zu Entzugserscheinungen kommen. So kann auch erklärt werden, warum manche (oft übergewichtige) Menschen ein sehr starkes Verlangen bzw. Heißhunger nach Gluten-Kohlenhydraten bzw. Brot haben.
Getreide in der Kritik
Es gibt ernst zu nehmende Wissenschaftler, die Getreide grundsätzlich für problematisch für den Menschen und für den Auslöser zahlreicher Erkrankungen halten (s. Buch von Prof. Cordain „Getreide, das zweischneidige Schwert der Menschheit“). Dafür werden u.a. die Weizenkeim-Agglutinine (WGA = wheat germ agglutinin) verantwortlich gemacht, die chronische Entzündungen im Körper auslösen können.
Glutensensitivität nicht verwechseln mit Zöliakie oder Weizenallergie
Die GS ist zu unterscheiden von der Weizenallergie und der Zöliakie, die auch durch Gluten (genauer durch den Glutenbestandteil Gliadin) verursacht wird. Die Zöliakie und Weizenallergie sind relativ selten und können durch spezielle Allergie-Test, Bluttests (inkl. Gen-Test) bzw. eine Magen-Darm-Spiegelung mit Untersuchung von Gewebeproben klar diagnostiziert bzw. ausgeschlossen werden. Die bei der Zöliakie-Diagnostik verwendeten Antikörper-Bluttests sind bei der GS unauffällig (evtl. hochnormal). Ein Zöliakie-Bluttest muß ggf. immer vor einem Gluten-Auslassversuch durchgeführt werden. Die Behandlung der Zöliakie besteht in einer lebenslangen strengen Gluten-Vermeidung.
Alles weitere erfahren Sie im persönlichen Arzt-Gespräch.
PS: Ein Tipp für Sportler: Ich empfehle jedem leistungsorientierten Sportler, einmal testweise weniger Gluten zu essen, z.B. für 4 Wochen. Die Zunahme an Energie ist oft deutlich spürbar. Das gleiche gilt für eine Histamin-arme Ernährung.
Figurmachertipp: Glutenfreie Rezepte finden Sie hier.
Literatur:
Sapone et al., BMC Medicine 10 (2012)13 / Ärzte Zeitung online 13.09.2012
„Getreide, das zweischneidige Schwert der Menschheit“, Prof. Cordain, Novagenics Verlag
„Wenn Brot und Getreide krank machen“, Dr. Ledochowski, Trias
„Leben ohne Brot“, Dr. Wolfgang Lutz, Informed GmbH
Weizenwampe, Warum Weizen dick und krank macht, Dr.med. Davis Goldmann
Dalla Pellegrina C et. al., Effects of wheat germ agglutinin on human gastrointestinal epithelium: insights from an experimental model of immune/epithelial cell interaction. Toxicol and Applied Pharmacology 2009 Jun 1;237(2):146-53
Mit freundlicher Genehmigung von Niels Schulz-Ruhtenberg.
Hier gehts zum Originalartikel.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!