Darmkrebsrisiko : Sind rotes Fleisch und Wurst jetzt tabu?

Bei der LOGI-Methode soll möglichst zu jeder Mahlzeit eine Eiweißkomponente verzehrt werden, wobei pflanzliche (Nüsse, Hülsenfrüchte, Pilze) und tierische Proteinträger (Fleisch, Geflügel, Fisch, Ei, Milchprodukte) gleichermaßen empfohlen werden. Immer wieder geraten die tierischen

Copyright: ramute zolubiene - Fotolia.de

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Lebensmittel jedoch in Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Aktuell wird in vielen Medien pauschal vom Verzehr von rotem Fleisch (Rind, Kalb, Schwein, Ziege, Schaf, Pferd) und Fleischwaren (so genanntes „verarbeitetes Fleisch“: Wurst, Schinken, Geräuchertes, Gepökeltes) abgeraten, weil es genauso krebserregend sei wie etwa Asbest oder das Rauchen von Zigaretten. Diese Aussagen sind barer Unsinn!

Gesicherte Erkenntnis bis jetzt:  

(aktuelle Übersicht z. B. bei Ströhle A et al.: Rotes Fleisch – vom gehaltvollen Nährstofflieferanten zum kanzerogenen Agens? Ernährung im Fokus 2015, Heft 9/10, Seite 268-274)

  • Zum Zusammenhang zwischen Darmkrebs (Dickdarm- und Enddarmkrebs) und dem Konsum von rotem bzw. verarbeitetem Fleisch liegen Daten aus 25 verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus Europa, USA und Asien vor, die in über 30 Studien veröffentlicht wurden. Sie fanden zwar mehrheitlich, jedoch nicht in allen Fällen ein leicht erhöhtes Risiko für Darmkrebs, wobei die Daten für verarbeitetes Fleisch deutlicher ausfielen als für rotes Fleisch.
  • Die Zusammenhänge in diesen Studien waren nicht immer signifikant, also statistisch nicht klar abgesichert. Damit bleibt die Frage offen, ob Fleisch und Wurst per se risikosteigernd wirken oder ob andere Einflussfaktoren, die mit hohem Fleischkonsum einhergehen (weniger Gemüse, kaum Sport, höheres Gewicht, Rauchen, etc.) dahinter stecken.
  • Die Studiendaten sind insgesamt nicht einheitlich: Mal findet man ein erhöhtes Risiko beim roten Fleisch, mal bei der Wurst, mal nur bei Männern, mal nur im Enddarm, mal nur im oberen Dickdarm, früher eher in amerikanischen Studien, heute auch in europäischen. Schon insofern verbietet sich eine pauschale Aussage zu Fleisch, Wurst und Darmkrebs.
  • Die mitgeteilten relativen Risikosteigerungen sind mit 10 bis 20 Prozent relativ schwach. Das heißt ebenfalls, dass sie möglicherweise auf Störgrößen wie einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen sein können und nicht auf den Fleischgenuss per se. Zudem gingen die relativen Risiken über die Jahre zurück, von rund 30 bis 40 Prozent in den 1980er-Jahren auf 10 bis 20 Prozent in neueren Studien.
  • Es gilt nach wie vor für epidemiologische Studien: Korrelationen beweisen noch keine Ursache-Wirkungs-Beziehung.
  • Es gibt zwar viele Hypothesen (heterozyklische Amine durch Zubereitung, Schadstoffe durch Erhitzen, Zusatzstoffe, Eisengehalt), jedoch keine eindeutig geklärten Mechanismen für eine krebserzeugende Wirkung von Wurst und Fleisch. Am naheliegendsten ist derzeit der Einfluss des Hämeisens. Er lässt sich durch calciumreiche Lebensmittel zumindest eindämmen.
  • Die Diskussion ist nicht neu: So hatten der World Cancer Research Fund und das American Institute for Cancer Research bereits 2007 die Evidenz für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Fleisch, Wurst und Darmkrebs als überzeugend eingestuft, wofür sie teilweise heftig kritisiert wurden.
  • Die große europäische EPIC-Studie fand bis zu einer Menge von 80 Gramm rotem Fleisch täglich oder 600 Gramm wöchentlich kein erhöhtes Darmkrebsrisiko. Wurden reichlich Ballaststoffe und Fisch gegessen, war ebenfalls kein erhöhtes Darmkrebsrisko durch rotes Fleisch erkennbar.
  • Auch nationale und internationale Organisationen (WCRF, DGE) raten nicht generell vom Fleischverzehr ab, sondern empfehlen Vielessern einen moderateren Konsum im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung.
  • In Großbritannien wird weniger Fleisch und Wurst verzehrt als etwa in Spanien oder Frankreich, dennoch ist das Darmkrebsrisiko in England deutlich höher als am Mittelmeer.
  • Vegetarier haben kein geringeres Darmkrebsrisiko als Fleischesser. Auch dies spricht dagegen, Fleisch als (alleinige) Ursache von Darmkrebs einzustufen.

 

Anlass dieser Meldung

Die in Lyon beheimatete IARC (International Agency for Research on Cancer) ist Teil der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und hat die Aufgabe, zu untersuchen, ob Substanzen ein krebserregendes Potenzial haben. Am 26. Oktober veröffentliche die IARC eine Pressemeldung, in der sie die Publikation eines Berichts (Monographie 114) ankündigte, der rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend (Gruppe 2A) für den Menschen und verarbeitetes Fleisch als krebserregend (Gruppe 1) für den Menschen einstuft. Auch das Fachblatt Lancet Oncology kündigte die IARC-Monographie an.

 

Studiendesign

Studienart:

Abschlussbericht einer Arbeitsgruppe von 22 Experten aus 10 Ländern

systematische Auswertung und Beurteilung von 800 Studien, darunter Labor- und Tierexperimente sowie Beobachtungsstudien (prospektive Kohortenstudien und hochwertige, bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studien) am Menschen zum Thema Fleisch, Fleischwaren und diversen Krebserkrankungen

Quelle:

IARC-Pressemeldung: http://www.iarc.fr/en/media-centre/pr/2015/pdfs/pr240_E.pdf

Lancet-Oncology News: http://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045%2815%2900444-1/fulltext

 

Ergebnisse:

In der Hälfte der 14 vorliegenden prospektiven Studien wurde ein Zusammenhang zwischen rotem Fleisch und Darmkrebs beim höchsten Verzehr gefunden. Beim Thema Fleischwaren war das statistische Risiko in 12 von 18 prospektiven Kohortenstudien erhöht.

Die Auswertung der Studien mit einem Mengenbezug ergab, dass jede zusätzliche 50-Gramm-Portion Fleischwaren das relative Risiko für Darmkrebs statistisch um 18 Prozent steigert und jede zusätzliche 100-Gramm-Portion rotes Fleisch das relative Risiko wahrscheinlich um 17 Prozent steigert. Zu allen anderen Krebserkrankungen wurde keine ausreichende Evidenz gefunden, um ein Krebsrisiko zu erkennen.

Die IARC selbst weist darauf hin, dass trotz dieser statistischen Zusammenhänge das Darmkrebsrisiko für den Einzelnen „gering bleibt“.

 

Zwar finden sich Fleischwaren nun zusammen mit Asbest und Zigarettenrauch in der Gruppe 1 der menschlichen Kanzerogene, dies bedeutet aber NICHT, dass sie ein ähnlich großes Risiko darstellen! So stieg das relative statistische Risiko für Darmkrebs durch Fleischwaren um weniger als 20 Prozent, Zigarettenrauchen steigert das Lungenkrebsrisiko jedoch um 2.500 Prozent.

Die Daten für einen risikosteigernden Effekt durch rotes Fleisch wurden von der IARC als weniger überzeugend eingestuft. Es ist also keineswegs eindeutig, dass rotes Fleisch als solches das Darmkrebsrisiko nennenswert erhöht. Dies hängt vermutlich auch mit dem Ernährungskontext und dem gesamten Lebensstil zusammen.

Wer einseitig und viel Fleisch und Wurst isst, sollte einen moderateren Verzehr erwägen. Wer jedoch abwechselnd rotes Fleisch, Geflügel, Fisch und Eierspeisen verzehrt, kombiniert mit reichlich Gemüse, Kräutern und Salat, braucht sich vor „rotem“ Fleisch nicht zu fürchten. Daher empfiehlt auch LOGI, verschiedene Fleischarten sowie regelmäßig Fisch in Kombination mit pflanzlichen Lebensmitteln zu verzehren und eher bei hoch verarbeiteten Wurstwaren Zurückhaltung zu üben.

 

Mit freundlicher Genehmigung des Systemed-Verlags. Vielen Dank!

 

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