Gym oder Homefitness

Gym oder Home Fitness?

Corona hat die Fitnesswelt durcheinandergewirbelt. Heimtraining erlebte ein Allzeithoch, die Studios waren mit 9,26 statt zuvor mal 11,09 Millionen Mitgliedern schwach wie lange nicht. Wie geht es weiter mit den beiden Top-Playern des Fitnesssports?

Vergleichswerte und Zahlen, die einen Blick hinter die Kulissen erlauben, stammen vom Marktforschungs-Unternehmen Deloitte, das bezüglich des deutschen Fitnessgeschehens als verlässlichste Quelle gilt. Meist im April eines jeden Jahres gibt das Institut einen Branchenreport heraus – das hier zitierte 2022er Monitoring ist somit das aktuellste und wertet Bewegungen des Jahres 2021 aus.

Homefitness: eindeutiger Punktsieg

Eine Befragung aktiver Fitnesssportler bestätigt die herausragende Rolle der Homefitness. Egal, wie man rechnet, das Training daheim hat stets die Nase vorn. Allerdings können die Ergebnisse verzerrt sein. Aktive wurden lockdown-bedingt geradezu zum Heimtraining gezwungen und die App-Anbieter kamen aus dem Umsatzrekorde feiern gar nicht mehr heraus. Experten sind sich weitgehend einig, dass es bei den Studios zur Mitgliederrückgewinnung kommen wird.

Gyms: klarer Qualitätsvorteil

Was ist besser: Trainieren im Studio oder in den eigenen vier Wänden? Die Antwort darauf ist im Grunde genommen recht einfach: Klar, hat das Studiotraining die Nase vorn. Allein der Umstand, das hier ein riesiges Equipment für etliche Fitness- und Gesundheitsbedürfnisse zur Verfügung steht, reicht eigentlich schon, das Urteil zu rechtfertigen. Gerätevielfalt macht das Üben nicht nur variabler, bedarfsgerechter und spannender – sie sorgt auch dafür, dass die Trainingsaufnahme weniger Selbstdisziplin erfordert. Bei Gyms oberhalb der Discounter-Ebene kommt in aller Regel noch eine professionelle Betreuung hinzu. Das Vermitteln von Grundlagen der Trainingslehre sowie fehler- und verletzungsvermeidendes Instruieren sollte damit mehrheitlich gegeben sein. Trotz all dieser Qualitätsvorteile boomt das Heimtraining. Daher stellt sich die Frage:

Was macht Homefitness so attraktiv?

Das Heim-Training ist für den Großteil der Befragten speziell wegen der zeitlichen Flexibilität angesagt. Anziehen, Umziehen, An- und Abfahrt – all das kann nerven. Und, nicht jedes Studio hat 24 Stunden auf. Zudem ist man daheim unbeobachtet. Ein Faktor, der nicht nur allen, die modischen Diktaten entkommen möchten, gefällt. Auch Menschen, die spöttische Blicke fürchten, dürften den Punkt goutieren. Last but not least soll auch nicht die Klientel vergessen werden, die einfach nicht gerne unter Leuten ist, sei es aus Furcht vor Ansteckungen oder aufgrund misanthropischer Tendenzen. Kosten werden bisweilen auch als Argument fürs Daheimüben angeführt. Und ja, Homefitness ist im Vergleich zu Studios tatsächlich in vielen Fällen günstiger, bei Beschränkung auf selbständig beherrschte Bodyweight Exercises gar gratis. Kommen Investitionen für Equipment beziehungsweise gebührenpflichte Online-Abos hinzu, dürfte man sich ungefähr auf dem Ausgabenniveau für ein Discount-Fitnessstudio bewegen.

Was genau passiert beim Heimtraining?

Auch diesbezüglich brachte die Deloitte Umfrage vertiefende Einsichten, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Das Gros trainiert ohne Anleitung in Eigenregie (60 Prozent). Der Rest verteilt sich auf das Üben nach Vorgaben von Online-Quellen (52 Prozent) oder Partnern/Freunden (20 Prozent). 21 Prozent der Befragten kommen ohne Equipment aus. Je 33 Prozent nutzen kleine Kraftgeräte und/oder ein Spinning Bike. 30 Prozent wählen ein Laufband, 15 Prozent den Crosstrainer.

Umsonst trainieren?

Vorab: Jede körperliche Aktivität ist gut, etwas tun ist immer besser als nichts tun. Daher Respekt für alle, die sich zu Hause fitter machen. Oder nur glauben, sich fitter zu machen. Denn speziell Unerfahrenen kann passieren, dass das Üben ab einem gewissen Punkt mehr oder weniger umsonst ist, was sich in diesem Fall nicht auf die Kosten bezieht. Speziell, wenn ohne Anleitung geübt wird, konzentrieren sich vermutlich sehr viele auf das, was sie am besten können. Daher sollten die Erwartungen in Sachen Trainingsfortschritt eher nicht zu hoch geschraubt werden. Zwar kann, etwa beim Üben mit Kurzhanteln, ein ganz anständiger Bizeps wachsen oder beim Radeln auf dem Spinning-Bike aus kardiologischer Sicht Gutes geschehen. Allerdings ist anzunehmen, dass ein hochwirksames und beizeiten angepasstes Ganzkörpertraining sowie ein gezieltes Bearbeiten von Defiziten nur in Ausnahmefällen auf der Fitness-Tagesordnung stehen.

Gut angeleitet, gut motiviert

Anleitungen, etwa durch Apps, steigern tendenziell die Erfolgswahrscheinlichkeit. Geht es um Muskelaufbau beziehungsweise Fettreduktion werden oft bessere Effekte erzielt als beim Verlassen auf sich selbst. Nach einer Weile muss aber auch hier personenbezogen entschieden werden, wie die Übungen und eventuell auch die Ernährung zu modifizieren sind. Dies kann kein anonymes Online-Trainingssystem leisten. Bei Tools mit Individualisierungsmöglichkeiten sieht es schon besser aus. Die Chance, richtig instruiert und engagiert das nächste Level zu erreichen, ist dennoch mit Betreuung und Equipment eines Studios meist deutlich größer. Außerhalb des Krafttrainings, etwa beim sehr beliebtem Yoga, kann das progressive Üben nach Videovorgaben dagegen recht gut gelingen. Hier ist die größte Gefahr ein Motivationsverlust, Yoga & Co. in der Gruppe und mit einer vertrauten Lehrperson ist ein besserer Garant für lange andauernde Freude an der Sache.

Und in Zukunft?

Die Befragung belegte ja bereits die Kombinationsfreudigkeit der Trainierenden: Nur eine Hälfte widmete sich ausschließlich dem Studio-, Heim- oder Outdoor-Training. Die anderen 50 Prozent mischen die Möglichkeiten und liegen damit voll im Trend. Denn in der Branche bestehen Einsicht und Wille, Studioangebote zukünftig noch mehr durch digitale Leistungen zu ergänzen, so dass sich langfristig eine hybride Fitnesswelt manifestiert. Und die Aktiven? Sie täten gut daran, Homefitness-Übungen zunächst mit kompetentem Personal zu erlernen und erst anschließend selbständig zu Hause durchzuführen. Wer bereits Trainingserfahrung und ein gutes Körpergefühl aufgebaut hat, kann sich bei nicht zu komplexen Übungen auch daheim erfolgreich fit halten.

Abbildung: Tero Vesalainen / shutterstock.com
Quelle: shape UP 2/2023

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