Wunderwaffe Massagepistole?

Der Fitness- und Gesundheitsmarkt bringt immer wieder neue Trainingstools hervor. In den letzten Jahren eroberten „Massage Guns“ den Markt. Die kleinen Geräte haben Power, sehen professionell aus und versprechen allerlei positive Therapieeffekte in Bezug auf Verspannungen, Regeneration und Leistungsfähigkeit, Schmerzlinderung und sogar „verklebte“ Faszien sollen gelockert werden. Glaubt man den Werbeversprechen, gibt es wohl kaum ein Problem, das sich mit Schüssen aus diesen schlagbohrerartigen Dingern nicht niederstrecken lässt.

Vibrations- oder Massagepistolen gibt es schon seit mehreren Jahren auf dem Markt und sind im Grunde genommen eine Weiterentwicklung des Deuser-Stabes in Kombination mit einer Tapotement-Massage. Bei den Deuser-Stäbchen handelt es sich um Holz- oder Metallstäbe, mit denen auch tiefe Punkte in der Muskulatur behandelt werden können. Beim „tapping movement“, also einer Massage in Form von Klopfen und Klatschen mit den Händen, konnte in einer Studie bereits nachgewiesen werden, dass sich die Agilität von Behandeltenim Vergleich zu keiner Behandlung (passive Ruhe) signifikant verbesserte. Diese ersten Ansätze könnten daher auch auf Massagepistolen zutreffen. Dank eines modernen Designs und Marketing auf Social Media erleben die kleinen „Wunderpistolen“ besonders in den letzten Jahren einen Boom. Die Massagepistolen sehen aus wie eine Mischung aus Pistole und Akkubohrmaschine mit verschiedenen Kegel- und Kugelaufsätzen, um die Weichteil-Strukturen des Bewegungsapparates zu lockern. Je nach Hersteller wird in unterschiedlichen Intensitäten und bis zu 45 Mal pro Sekunde auf die Haut und das darunter liegende Gewebe geklopft, wobei die Vibration der Massagepistole für schnelle Druckimpulse sorgt. Die Perkussionsmassage mit einer so hohen Frequenz soll die Tiefenmuskulatur erreichen und somit unter anderem die Durchblutung fördern. 

Vorteile und Effektivität

Trotz ihrer Beliebtheit gibt es derzeit noch nicht viele aussagekräftige Studien zur Effektivität dieser handlichen Geräte. Eine von ihnen stammt aus dem Jahr 2014 und untersuchte den Einfluss von Vibrationstherapie auf Muskelkater und Regeneration der Bewegungsamplitude (ROM). Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass zumindest das subjektive Empfinden von „muscle stiffness“ und „delayed onset muscle soreness (DOMS)“ durch die Anwendung einer entsprechenden Vibrationstherapie verringert werden können. Diese Ergebnisse decken sich mit einer Studie aus dem Jahr 2018. Die Wissenschaftler unterzogen im Rahmen dieser Studie die Probanden einer Reihe von Tests, um Körperhaltung, Gleichgewicht und den subjektiv wahrgenommenen Muskelkater zu messen. Darüber hinaus wurden Blutproben entnommen, um darin Marker für Muskelschäden zu analysieren (Kreatinkinase und Laktatdehydrogenase). Die Sportler wurden im Anschluss in zwei Gruppen unterteilt und mussten ein exzentrisches Beintraining absolvieren. Die Massagepistole-Gruppe erhielt direkt im Anschluss an das Training sowie 24 und 48 Stunden später eine Perkussionstherapie. Die Kontrollgruppe musste auf sämtliche Therapiemaßnahmen verzichten. Bei der Auswertung der Ergebnisse zeigte sich, dass die Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe einen signifikant schnelleren Rückgang des subjektiv empfundenen Muskelkaters hatte. Die Forscher konnten außerdem eine Veränderung in der Körperhaltung und Biomechanik beobachten, was darauf schließen lässt, dass die Kontrollgruppe eine stärkere Schonhaltung aufgrund von Muskelschmerzen angenommen hatte. 

Auch wenn erste Studien relativ überzeugend klingen, sollte bei der Interpretation der Daten erwähnt werden, dass meist nur eine sehr kleine Probandenanzahl teilgenommen hat und die Studien eher von kurzer Dauer waren. Es ist also möglich, dass größer und länger angelegte Studien zu anderen Ergebnissen kommen. Darüber hinaus lässt sich ein gewisser Placebo-Effekt nicht ausschließen, insofern das Bewusstsein, eine Massage zu erhalten, seinen Einfluss hat.  

Massagepistolen und Faszien 

Kaum eine Körperstruktur hat in den letzten Jahren einen solchen Hype erfahren wie die Faszien. Es gibt viele Therapieansätze, die sich damit beschäftigen, verklebte, verfilzte und verkürzte Faszienstrukturen zu lockern respektive zu entspannen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass neben den altbekannten Methoden wie Faszienrollen oder Faszienbällen auch diverse Hersteller von Massagepistolen diesen fragwürdigen Exklusivanspruch der Faszientherapie für sich entdeckt haben.

Die Problematik hierbei ist allerdings, dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau feststeht, welche Rolle Veränderungen an den Faszien überhaupt für das Schmerzerleben spielen und inwieweit Faszien tatsächlich „verkleben“ können. Darüber hinaus gibt es für die Diagnose einer Faszienproblematik keine evaluierten Tests. In Studien und Übersichtsarbeiten konnte festgestellt werden, dass Faszien physiologisch extreme Belastungen über einen langen Zeitraum aushalten können und härter als Kevlar sind. Es bedarf somit sehr hoher Kräfte, welche weit außerhalb des für Menschen möglichen Bereichs liegen, um das straffe Gewebe der Faszien auch nur um 1 % zu verändern. Ein wissenschaftliches Review kommt zu dem Schluss, dass diverse Hilfsmittel, wie zum Beispiel eine Massagepistole, wahrscheinlich niemals in der Lage sein werden, Faszien isoliert zu beeinflussen oder dauerhaft zu verlängern und zu verformen.

Vorsicht bei der Anwendung 

Fakt ist auch, dass sich Wehwehchen, Verspannungen und Schmerz nicht einfach „wegschießen“ lassen und jeder Mensch und Körper auf Druck- und Schmerzpunkte anders reagiert. Effekte wie eine Senkung der Verletzungsgefahr durch einen gesteigerten Blutfluss und eine Lockerung verhärteter Muskulatur konnten bisher nicht nachgewiesen werden. Für Sportler, Trainer und Physiotherapeuten, die ihren Körper in- und auswendig kennen respektive medizinisches Fachwissen haben, können Massagepistolen eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Therapiemöglichkeiten sein. Wer jedoch Laie auf dem Gebiet ist und weder Dosierung, Dauer noch Art der Anwendung richtig beurteilen kann, sollte die Finger davon lassen, denn es besteht die Gefahr, sich mehr zu schaden z. B. durch eine sogenannte Rhabdomyolyse, als Probleme oder Verspannungen zu lösen. Auch bei einer bereits vorliegenden Bursitis (Schleimbeutelentzündung) können die Symptome bei falscher Anwendung verstärkt werden. Vorsicht ist vor allem bei Schwangeren, onkologischen Patienten, Menschen mit Herzschrittmachern oder künstlichen Gelenken geboten. Bei diesen Indikationen sollte auf jeden Fall vorher ein Arzt konsultiert werden.

Fazit

Erste Studienergebnisse könnten darauf hindeuten, dass die handlichen Massagegeräte eine sinnvolle Methode darstellen, um den Bewegungsumfang zu erhöhen und die Auswirkungen von Muskelkater zu reduzieren (8). Ob für den Sport, bei Schmerzen, oder gegen Stress: Der Griff zur Massagepistole kann in vielen Fällen sinnvoll sein und dem Körper dabei helfen, schneller zu entspannen und zu regenerieren. Voraussetzung dafür sollte aber immer ein gutes Wissen zur richtigen und vor allem sicheren Anwendung der Massagepistole sein. Ausreichende Informationen dazu bekommt man auch durch Lehrvideos im Internet, beim Physiotherapeuten, beim Sportarzt, oder direkt beim Hersteller. 

Abbildung: Andrey Popov / shutterstock.com
Quelle: shape UP 6/2021


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