Phytotherapie bei stumpfen Verletzungen

Phytotherapie bei stumpfen Verletzungen

Oft geht es schneller als ein Wimpernschlag, ein kurzer Augenblick mangelnder Aufmerksamkeit, und schon ist es passiert: eine Muskelzerrung, ein Bänderriss, eine Prellung oder gar ein Knochenbruch. All diese Verletzungen brauchen ihre Zeit, um zu heilen. Sie sind meist schmerzhaft und schränken die Lebensqualität ein. Doch mit ein paar Tipps aus der Naturheilkunde kann man den Heilungsprozess effektiv unterstützen und die Beschwerden lindern.

Bei Sportverletzungen handelt es sich häufig um stumpfe Traumata, die meist äußerlich behandelt werden. Aus der Phytotherapie kommen vor allem Heilpflanzen mit abschwellender, antiinflammatorischer und analgetischer Wirkung zum Einsatz. Beinwell und Schachtelhalm können auch bei Knochenbrüchen die Heilung unterstützen.

Stumpfe Traumata

Stumpfe Traumata betreffen häufig das Sprunggelenk oder Knie, aber auch Zehen, Finger, Handgelenk, Ellbogen oder Schulter können betroffen sein. „Pech gehabt“ – mit diesem Spruch hat man meist nicht nur die Situation treffend beschrieben, sondern zugleich die Kurzanleitung für die ersten Maßnahmen parat: Pause – Eis – Compression – Hochlagern (PECH). Bei stumpfen Traumata sollten die Betroffenen also sofort pausieren, ihre Verletzung kühlen, einen Kompressionsverband anlegen und die verletzte Extremität hoch lagern bzw. ruhig stellen. Allerdings wird man bei einem Knochenbruch dem Opfer die Kompression eher ersparen und stattdessen die Verletzung polstern.

Die Diagnose wird im Anschluss bei der ärztlichen Untersuchung gestellt. Zudem wird der Arzt die Verletzung versorgen und dem Patienten Ruhe verordnen. Doch welcher Patient begrüßt eine Verletzung als willkommene Gelegenheit für Ruhe und Entspannung? Diese Patienten gibt es sicher auch, doch suchen sie selten im Anschluss eine Praxis für Naturheilkunde auf. Diejenigen, die nach einer phytotherapeutischen Begleittherapie fragen, erhoffen sich eine Verkürzung ihrer Zwangspause, eine Beschleunigung der Heilung, manchmal auch Schmerzlinderung.

Die Kraft der Kräuter

Die Behandlung stumpfer Verletzungen erfolgt in der Regel äußerlich und setzt sich aus mehreren Elementen zusammen. Maßgeblich bei der Auswahl sind die Beschwerden des Betroffenen. Vielfach gehen stumpfe Verletzungen mit mehr oder weniger starken Schwellungen einher, sodass abschwellende, die Resorption und die Durchblutung anregende Kräuter gefragt sind. Darüber hinaus sind stumpfe Traumata oft schmerzhaft, sodass analgetische Eigenschaften von Arzneipflanzen gefragt sind. Unabhängig davon kann es sinnvoll sein, antiinflammatorisch wirkende Kräuter zu verwenden.

Arnika bringt Bewegung ins Blut
Die Blüten der Arnika (Arnicae flos) können bei stumpfen Traumata als Öl oder Salbe sowie als Tinktur verwendet werden. Allerdings sollte die Tinktur nicht unverdünnt zum Einsatz kommen, sondern 3- bis 10-fach verdünnt werden, da eine hoch konzentrierte Anwendung von Arnikatinktur Hautschäden mit Bläschenbildung bis hin zu einer Nekrotisierung verursachen kann. Alternativ kann ein wässriger Auszug aus 2 g Blüten mit 100 ml kochendem Wasser hergestellt werden, der 5 bis 10 Minuten ziehen sollte. Die antiinflammatorische Wirkung der Arnikablüten wird ihren Flavonoiden und Triterpendiolen zugeschrieben. Dass sie zudem resorptionsfördernd und hyperämisierend wirkt, ist neben den Flavonoiden ihrem Gehalt an Sesquiterpenlactonen wie Helenalin und Dihydrohelenalin, der Chlorogen- und der Kaffeesäure sowie Cynarin zu verdanken. Daher wird sie in der TCM als Blut bewegendes Kraut geschätzt. Sowohl die Arzneimittelkommission E als auch die WHO-, ESCOP- und die HMPC-Monografien zählen unter anderem Hämatome nach Prellungen oder Verstauchungen zu ihren Anwendungsgebieten. Kontraindikationen sind bekannte Allergien gegen Korbblütler (Asteraceae). Außerdem sollte eine Anwendung auf verletzter Haut vermieden werden, um eine Dermatitis mit Bläschenbildung zu vermeiden. Längere Anwendungen begünstigen zudem Ekzeme.

Beinwell lindert Schmerzen und regt die Heilung an
Aus der pulverisierten Wurzel des Beinwells (Symphyti radix) kann ein Brei zubereitet werden, der äußerlich als Umschlag oder Packung auf die verletzte Stelle aufgetragen werden kann. Hierzu werden 10 g Droge mit 100 ml Wasser auf- bzw. eingekocht. Sobald der Brei ausreichend abgekühlt ist, wird er auf Küchenpapier gestrichen und auf die Verletzung gelegt. So kann er 20 bis 30 Minuten einwirken. Keinesfalls darf er jedoch auf verletzter Haut angewendet werden. Die Inhaltsstoffe, die zu seiner Wirkung beitragen, sind bis heute nicht vollständig bekannt. Seine analgetische, antiinflammatorische und granulationsfördernde Wirkung wird den Hydroxyzimtsäurederivaten wie Chlorogen- und Rosmarinsäure zugeschrieben, aber auch dem Allantoin. So festigt er das Gewebe. Schleimstoffe speichern die Wärme, wirken aber auch erweichend auf das möglicherweise erstarrte Gewebe. In Studien erwies sich Beinwell bei Zerrungen als ebenso effektiv wie ein Diclofenac Gel. Aufgrund seines Gehalts an hepatotoxischen Pyrrolizidinalkaloiden sollen Zubereitungen von Symphyti radix nicht länger als 4 bis 6 Wochen im Jahr angewendet werden. Allerdings sind inzwischen Produkte im Handel, die aus pyrrolizidinfreien Pflanzen hergestellt werden. Schwangere, stillende Mütter und Kleinkinder unter 2 Jahren sollten auf Beinwell jedoch verzichten.

Campher als Analgetikum
Durch die von ihm verursachte Verdunstungskälte kühlt der Campher anfangs und kann auf diese Weise Schmerzen und Entzündungen lindern sowie die Durchblutung anregen. Daher zählt er in der TCM zu den wärmenden, Qi und Blut bewegenden Kräutern. Er kann als 10-prozentiger Campherspiritus (Spiritus camphoratus) für Einreibungen verwendet werden, sollte allerdings weder großflächig noch auf offenen Verletzungen zum Einsatz kommen. Vorsicht ist ferner bei Kindern geboten, bei denen er je nach Alter zu verdünnen ist. Er sollte bei Kindern auch nicht im Gesicht oder gar in der Nähe der Nase angewendet werden, um einen möglicherweise lebensbedrohlichen Glottiskrampf zu vermeiden.

Sanfte Hilfe auf Dauer durch Gänseblümchen
Gänseblümchen (Bellidis flos) wirken sanfter als Arnikablüten. Aus Sicht der TCM bewegen sie Qi und Blut. Da sie von Frühjahr bis Herbst fast überall wachsen, kann man sie in der Regel insbesondere zwischen Mai und September ohne großen Aufwand sammeln und zu einem wirksamen Öl verarbeiten. Besonders wirksam soll die Ernte um Johanni (24. Juni) sein. Die gereinigten Blüten werden mit Öl bedeckt in ein helles Glas gegeben und an einen sonnigen Ort gestellt. In den ersten Tagen sollte der Deckel nur locker aufgelegt werden, damit Gase und Dämpfe, die sich bilden, entweichen können. Zudem empfiehlt es sich, das Öl gelegentlich umzurühren. Nach spätestens einer Woche kann der Deckel dann fest verschlossen werden. Das Öl reift über einen Zeitraum von sechs Wochen heran, wird dann abgefiltert und in einer dunklen Flasche lichtgeschützt an einem kühlen Ort gelagert. Es ist so etwa ein Jahr haltbar. Auch wenn bisher keine Monografie des Gänseblümchens erstellt wurde, so kann es dennoch auf verletzte Muskeln, Sehnen und Bänder ebenso aufgetragen werden wie auf Prellungen. Auch Wickel oder Ölverbände können angelegt werden, sofern keine Unverträglichkeiten bestehen.

Rotöl für akute und chronische Fälle
Johanniskraut (Hyperici herba) kommt bei stumpfen Verletzungen idealerweise als Öl, das sogenannte Rotöl, in Form eines Umschlags mit ölgetränkten Tüchern bzw. als Ölverband oder Wickel zum Einsatz. Diese Umschläge oder Wickel werden nach 8 bis 10 Stunden gewechselt. Vor allem bei hellhäutigen Patienten kann im Zusammenhang mit der Anwendung von Johanniskraut eine Photosensibilisierung erfolgen, die sich als sonnenbrandähnliche Hautreaktion manifestieren kann. Direkte Sonnen- oder UV-Bestrahlung soll daher während der Behandlung vermieden werden. Auch Unverträglichkeitsreaktionen sind möglich. Rotöl, das nach dem roten Inhaltsstoff Hypericin benannt ist, kann auch zur Nachbehandlung scharfer Verletzungen oder Verbrennungen ersten Grades verwendet werden.

Auf die richtige Mischung kommt es an

Für eine durchblutungsfördernde Rezeptur gegen akute Schmerzen nach einer Prellung, Zerrung oder Verstauchung werden 20 ml Rotöl mit 30 ml Jojobaöl vermischt. Dieser fetten Grundlage werden je 5 Tropfen der ätherischen Öle des Lavendels (Lavandulae aetheroleum) und des Rosmarins (Rosmarin ct. Cineol) zugesetzt sowie 20 Tropfen Niauli (Melaleuca viridiflora). Die Mischung wirkt analgetisch, hyperämisierend und antiinflammatorisch. Lavendelöl lindert nicht nur Schmerzen und Entzündungen, es entspannt auch. Ebenso wirkt Niauliöl unter anderem antiinflammatorisch und analgetisch. Rosmarinöl fördert dagegen die Durchblutung und lindert Nervenschmerzen. Auf diese Weise ergänzen die drei ätherischen Öle die Wirkung des Rotöls.

Alternativ können wenige Tropfen des ätherischen Öls der Pfefferminze (Menthae piperitae aetheroleum) bei stumpfen Verletzungen mit einer Portion eines fetten Öls in der Hand gemischt und dann in die betroffene Stelle einmassiert werden. Nach dem Auftragen des Öls entsteht anfangs eine Verdunstungskälte, die zur Schmerzlinderung beiträgt. Hierdurch wird im Anschluss die Durchblutung angeregt. Pfefferminzöl soll allerdings nicht direkt auf offene Wunden, auf Schleimhäute oder in der Nähe der Augen aufgetragen werden.

Abbildung: unpict / shutterstock.com
Quelle: shape UP Fitness 2/2023

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