Figurmacher® Andreas Scholz im Interview

„Wir essen gleichzeitig zu viel und zu wenig“:

Im Gespräch mit „Figurmacher®“ Andreas Scholz

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Als Kind hatte Andreas Scholz einen Buckel und einen schiefen Gang. Dann entdeckte er Krafttraining für sich – das veränderte sein Leben. Heute trainiert der Ernährungswissenschaftler vor allem, um vor Zivilisationskrankheiten und Rückenbeschwerden verschont zu bleiben. Ein Gespräch über Gesetze der gesunden Ernährung und mentale Kraft.

 

Ein Spruch von dir lautet: Wer Muffins isst, sieht bald auch wie ein Muffin aus.

Wie muss gesunde Ernährung aussehen?

Wenn du einen athletischen Körper haben möchtest, lautet das erste Gesetz der Ernährung: Gib dem Körper das, woraus er besteht.

Das heißt?

Wir bestehen zu ungefähr 60 Prozent aus Wasser. Also sind Wasser und andere Getränke das, was du am meisten konsumieren solltest. Gerne auch mal ein Glas Wein. Am besten wären 30 bis 50 Milliliter pro Kilo Körpergewicht. Du kannst natürlich auch mit nur einem Liter Wasser am Tag und einem Kaffee leben. Dann hast du manchmal vielleicht Kopfschmerzen, kaufst dir eine Aspirin und sie sind wieder weg. Aber du bist nicht voll leistungsfähig. Vielleicht hast du auch schlechte Haut und schlechte Haare. Für eine gute Durchblutung und Verdauung und um nach dem Sport besser zu regenerieren, brauchst du mehr Flüssigkeit.

Also: viel trinken. Was noch?

Als Zweites besteht der Körper aus Proteinen.

Wie viele Proteine brauchen wir?

Um das auszurechnen, schaue ich mir immer die fettfreien Masse an. Wenn jemand 100 Kilo wiegt und 40 Prozent Körperfett hat, sind es 60 Kilo – bei 10 Prozent Körperfett sind es 90 Prozent. Nehmen wir an, jemand wiegt 100 Kilo und 90 Kilo davon sind fettfreie Masse. Die fettfreie Masse, die 90 Kilogramm, rechnen wir dann mal 2,1 bis 3,3 Gramm, dann kommen wir auf 189 bis 297 Gramm Protein pro Tag.

Ganz schön viel.

Wenn man abnehmen will, sollte man zwar die Gesamtkalorien reduzieren, aber den Eiweißgehalt hochhalten. Muskeln verbrennen Fett – aber dafür muss man sie füttern. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt 0,8 g Gramm Eiweiß pro Kilo Körpergewicht. Studien sagen, dass es bei bis zu 2,8 Gramm pro kg Körpergewicht (nicht fettfreie Masse) keine Beeinträchtigungen gibt.

Viele machen sich ja Sorgen um ihre Nierengesundheit.

Das ist ein wichtiger Punkt. Die Nieren werden geschädigt, wenn man zum Beispiel Bluthochdruck oder Diabetes hat. Wenn sie schon geschädigt sind, dann sollte man auf jeden Fall mit Eiweiß aufpassen. Aber einer gesunden Niere macht mehr Eiweiß nichts aus, wenn man genug trinkt.

Okay, Nieren checken und Proteine essen. Next.

Als drittes besteht der Körper aus essentiellen Fettsäuren wie Omega-3, die zum Beispiel in Fischöl vorkommen. Sie spielen eine wichtige Rolle für die Zellmembran, für Hormone und helfen gegen Entzündungen, Depressionen sowie Gelenkschmerzen. Schlecht für den Körper sind industriell gehärtete Fette in Fertigprodukten, wie zum Beispiel in Pizza oder Chips. Die sollte man vermeiden.

Eine Frage, die zurzeit viele beschäftigt: Kokosöl – Freund oder Feind?

Kokosfett ist kein Superfood, sondern ein neutrales Lebensmittel. Aber man kann damit sehr heiß braten und es enthält Laurinsäure, die antibakteriell wirkt. Wirklich gefährlich sind Transfettsäuren, die zum Beispiel in gehärteten Fetten vorkommen, und die Tatsache, dass wir zu viel Omega-6 und zu wenig Omega-3 aufnehmen.

Was ist ein gutes Verhältnis?

Ein sehr gutes Verhältnis wäre Omega-6 zu Omega-3 von 1:1. Ein Verhältnis bis 5:1 halten viele Wissenschaftler für optimal. In der Realität kommen wir häufig auf 25:1 oder mehr.  Ich vertrete die sogenannte essentielle Ernährung: Trink ausreichend Wasser, iss genug Protein und Fett. Achte auf viel Gemüse und iss so viele Kohlenhydrate, wie du brauchst.

Wie viele Kohlenhydrate brauchen wir denn? 

Pro Tag und Kilo Körpergewicht sollten gesunde Menschen eins bis sieben Gramm Kohlenhydrate essen. Ich verteufle Kohlenhydrate nicht, eine kohlenhydratfreie Ernährung ist zudem gar nicht möglich: in Obst, in der Milch, überall sind welche drin. Aber man muss sie sich verdienen. Kohlenhydrate sind das Muskelbenzin des Körpers. Wer nur am Schreibtisch sitzt, braucht auch nur wenig Muskelenergie. Wenn du die nicht verbrauchst, ist es, als würdest du dein Auto volltanken, zehn Kilometer fahren und wieder versuchen, 50 Liter zu tanken. Jemand, der seinen Tank nie leer macht, sammelt Fett an. Wer viel Sport macht, soll auch Kohlenhydrate essen. Aber im Vordergrund sollte niemals die Diät stehen, sondern der Mensch.

Das bedeutet?

Du kennst es aus der Schule: Da gab es Draufgänger, die vor nichts Angst hatten und die auf jeden Baum klettern, und es gab die, die eher etwas ängstlich waren. Nun sitzen der Mutige und der Ängstliche im Büro, der Chef kommt nachmittags herein und sagt: „Ihr habt schlecht gearbeitet, ihr müsst bis morgen nochmal alles neu machen und wenn ihr die ganze Nacht daran sitzen müsst!“ Der Mutige sagt: „Ich kenne meine Rechte, der kann mich nicht rausschmeißen, um 17 Uhr habe ich Feierabend.“ Der Ängstliche denkt: „Oh nein, bei der nächsten Kündigungswelle bin ich dran, ich bleibe länger.“ Wer von beiden wird wohl mehr Stress haben? Die beiden müssen auch unterschiedlich essen.

Wie würde die Ernährung jeweils aussehen?

Der Coole braucht weniger Kohlenhydrate, um sich entspannt zu fühlen. Der Ängstliche sollte abends etwas mehr davon essen, weil Kohlenhydrate den Cortisol-Spiegel senken. Wenn jemand nicht gut schläft, nachts aufwacht oder abends nicht müde wird, sollte er abends etwas mit Kohlenhydraten und Magnesium zu sich nehmen.

Menschen, die morgens nicht richtig wach werden und müde sind, sollten kein Brötchen mit Marmelade essen, weil sie dann gleich wieder müde werden. Im Büro ist man wieder müde und braucht einen Kaffee und einen Keks. So jemand braucht eher Eiweiß und Fett zum Frühstück, damit er keine Blutzucker-Schwankungen hat.

Essen wir generell zu viel oder zu wenig?  

Viele Menschen essen zu viel, aber die meisten essen über den Tag verteilt zu wenig, weil sie Stress oder keine Zeit haben. Dann fallen sie in ein tiefes Loch und essen zu viel auf einmal, was Blutzuckerschwankungen mit sich bringt. Zudem nehmen sie häufig nicht regelmäßig essentielle Nährstoffe zu sich.

Oft sagen wir: Vollkornbrot ist doch gesund – und essen vier Scheiben davon. Und dann noch Reis und Nudeln. Und zwischendurch einen Bonbon oder einen Keks – das ist nicht förderlich für die Muskulatur. Viele junge Frauen im Fitnessstudio haben dünne Beine und Arme, aber Fett am Bauch – weil sie insgesamt zu wenig essen. Dann bildet der Körper Cortisol, die Muskeln werden abgebaut und das Fett wird für Notsituationen gespeichert. Viele essen nach dem Sport nichts und verbrennen so ihre Muskeln – statt das Fett.

Die wahren Experten im Muskelaufbau sind Bodybuilder, doch ihr Ruf ist nicht gerade gut. Du sagst: zu Unrecht. Warum?

Alles was ich weiß, weiß ich von ihnen. Man kann sie hässlich und eklig finden und in der Öffentlichkeit werden sie oft als dämlich dargestellt. Aber sie wissen genau, ob etwas funktioniert oder nicht. Sie haben bereits auf LowCarb und Krafttraining gesetzt, als kohlenhydratreiche Ernährung und Ausdauer als der Königsweg galten. Und wenn du dir jetzt die Zeitschriften anguckst, steht überall etwas von Muskeln und Faszien – womit Bodybuilder sich schon lange beschäftigen.

Du sprichst auch vom „Aufbau mentaler Muskeln“. Wie ist dir das gelungen und warum ist das wichtig?

Ich war ein kleines, verkümmertes Kind vom Dorf. In einer Schuluntersuchung wurde festgestellt, dass ich zu wenig Muskeln, zu kurze Beine und einen Buckel hatte. Ich sah aus wie Quasimodo, alles war schief und ich bin immer gehänselt worden. Dann bin ich zur Krankengymnastik gegangen und mir wurde gesagt: Kauf dir kleine Hanteln. Mein Nachbar hatte einen Athletikclub mit selbstgebauten Geräten. Es gab keine Trainer, also habe ich einfach geguckt, was die anderen machen und mitgemacht. Mit der Zeit wurden meine Schultern gerader und breiter, ich bin nicht mehr gebückt gegangen – ich wurde stärker. Das gab mir Mut und dadurch bilden sich mentale Muskeln.

Sport macht also selbstbewusster.

Und das überträgt sich auch auf andere Bereiche. Vorher hatte ich eine Hauptschulempfehlung und bin sitzen geblieben. Danach wurde meine schulische Arbeit besser und ich hatte ein super Zeugnis. In meinem Dorf wollten viele Beamte werden. Es gab 300 Bewerbungen auf sechs Stellen – und ich war einer von den sechs, die genommen wurden. Mein Vater hat sich gefreut wie sonst was! Das hätte ich nie geschafft, wenn ich keine mentalen Muskeln gehabt hätte. Der Beamtenjob war Entspannung pur: Du kannst um 12:30 nachhause gehen und wenn du drei Wochen krank wirst, interessiert das niemanden. Was mache ich: Ich gehe zur Abendschule und fange ein Studium an. Dafür habe ich elf Jahre lang jeden Freitag und Samstag als Türsteher gearbeitet. Und ich hatte bereits Familie und Kinder. Das machst du nicht, wenn du keine mentalen Muskeln hast.

Eine gute Motivation!

Beim Sport machst du die Erfahrung: Wenn du an einem Ziel kontinuierlich dranbleibst, werden sich Erfolge einstellen. Das stärkt. Wichtig ist, dass man etwas durchzieht. Beim Training wirst du nur erfolgreich, wenn du regelmäßig trainierst, nicht mal eine Woche und eine nicht. Das Ziel sollte nicht Perfektion sein – sondern Fortschritt.

 

– Figurmachen mit Andreas Scholz –

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